Physikalisches Kolloquium

Dec. 11, 2001 at 5 p.m. c.t. in Hörsaal des Instituts für Kernphysik, Becherweg 45

Prof. Dr. Friederike Schmid
Institut für Physik
friederike.schmid@uni-mainz.de

Prof. Dr. Concettina Sfienti
Institut für Kernphysik
sfienti@uni-mainz.de

Flüssige und kristalline Plasmen
Prof. Dr. G. Morfill (Max-Planck Institut für extraterrestrische Physik)


Plasmen gelten als der ungeordnetste Zustand der Materie. Ziel unserer Forschung war es, Plasmen "sichtbar" zu machen - und zwar nicht durch ihre natürlichen Strahlungsemissionen, sondern auf dem Niveau der Beobachtung einzelner Partikel, um dann die grundlegenden Prozesse zu untersuchen. Dazu muss ein ganz spezielles Plasma erzeugt werden - ein Plasma, welches aus geladenen "Mikroteilchen" besteht. Die Mikroteilchen haben in etwa den Durchmesser eines menschlichen Haares und können durch Bestrahlung mit einem Laser einzeln sichtbar gemacht werden. Bei den ersten Untersuchungen im Labor stellte sich überraschenderweise heraus, dass diese speziellen Mikroteilchen-Plasmen (im Fachjargon "komplexe Plasmen" genannt) kondensieren können. Es wurden sowohl flüssige als auch Kristallzustände entdeckt - etwas, was man von einem Plasma nicht für möglich gehalten hatte. Diese Entdeckung gab dem Forschungsfeld gewaltigen Auftrieb. Mittlerweile beschäftigen sich über 40 Arbeitsgruppen weltweit mit diesen Plasmen. Unsere jetzige Forschung wird im Labor und im Weltraum auf der Internationalen Raumstation durchgeführt. Dort haben wir mit dem "Plasmakristallexperiment" gemeinsam mit russischen Kollegen das erste Forschungslabor in Betrieb genommen, das diese neuen Plasmazustände, Phasenübergänge, lineare und nichtlineare Wellenphänomene usw. unter Schwerelosigkeit erforschen soll. Die Schwerelosigkeit ist natürlich deshalb von großer Bedeutung, weil die Mikroteilchen - obwohl sie so klein sind - trotzdem ca. 100 Milliarden mal massiver sind als Atomionen. Damit ist die Schwerkraft ein bedeutender Faktor auf der Erde, der die Prozesse enorm beeinflusst. Was Anwendungen angeht - bei solch einer jungen Wissenschaft stehen natürlich die Grundlagen im Vordergrund. Trotzdem ist ersichtlich, dass hier ein enormes Potential heranreift. In gewisser Weise werden zwei wichtige Wirtschaftszweige verknüpft - die Plasmatechnologie und die Kolloidtechnologie. Das neue Gebiet, die "trockene Kolloidtechnologie" verspricht schneller, präziser und sauberer zu sein. Es wäre nicht überraschend, wenn diese Eigenschaften irgendwann zur Anwendung (z.B. in der Oberflächenbeschichtung oder in der Herstellung komplexer Materialien) führen würden.