Physikalisches Kolloquium
June 8, 2004 at 5 p.m. c.t. in Hörsaal des Instituts für Kernphysik, Becherweg 45Prof. Dr. Friederike Schmid
Institut für Physik
friederike.schmid@uni-mainz.de
Prof. Dr. Concettina Sfienti
Institut für Kernphysik
sfienti@uni-mainz.de
Wir befinden uns inmitten eines umfangreichen globalen Klimawandels, der im Wesentlichen auf menschliche Aktivitäten (u.a. Nutzung fossiler Energieträger, Landwirtschaft) zurückgeht und sich aufgrund der weiteren Zunahme der Weltbevölkerung und des damit zusammenhängenden Anstiegs des Energieverbrauchs und des Lebensmittelbedarfs in den nächsten Jahrzehnten verstärken wird. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts wird allgemein von einem weiteren Temperaturanstieg um ca. 3°C ausgegangen. Diese Abschätzungen sind zweifelsfrei mit erheblichen Unsicherheiten versehen. Es besteht allerdings die Tendenz, diese Angaben mit zunehmendem Kenntnisstand eher zu höheren als zu niedrigeren Werten hin zu korrigieren.
Parallel zur Temperaturzunahme steigt die Wasserverdunstung überproportional an. Dies führt zu einer Intensivierung des hydrologischen Kreislaufs in der Atmosphäre und damit auch zu einer Zunahme der globalen Niederschlagsmengen um mehr als 30% in den nächsten hundert Jahren. Allerdings zeigt die weitere Entwicklung der Niederschläge starke räumliche und zeitliche Strukturen, wobei in einigen Gebieten die Niederschlagsmengen so-gar zurückgehen, dafür aber in anderen Gebieten überproportional zunehmen werden. Besonders betroffen sind die semi-ariden Gebiete, in denen sich die Wasserverfügbarkeit regional stark unterschiedlich entwickeln wird. Dabei wird es mit Sicherheit Gewinner und Verlierer geben. Zukünftige politische Auseinandersetzungen um die immer knapper werdende Ressource „Wasser“ sind damit nicht auszuschließen.
Im Gegensatz zum globalen Trend wird die Niederschlagsmenge im süddeutschen Raum nach den z. Zt. vorliegenden Berechnungen mit räumlich und zeitlich hoch auflösenden regionalen Klimamodellen in den nächsten 40 Jahren um bis zu 10% zurückgehen. Darüber hinaus wird sich die jahreszeitliche Verteilung der Niederschlagsmengen erheblich verschieben, wobei im Frühjahr mit einer Zunahme und im Sommer mit einer Abnahme der Niederschlagsmengen zu rechnen ist. Gleichzeitig werden die Niederschlagsereignisse immer intensiver, so dass insgesamt von einer Zunahme der Anzahl und Intensität der Hochwasserereignisse in Süddeutschland auszugehen ist. Diese Hochwasserereignisse werden im Frühjahr durch die schnellere Schneeschmelze und den zunehmenden Übergang des Niederschlags von Schnee in Regen zusätzlich verstärkt. Im Sommer führen die zurückgehenden Niederschläge in Verbindung mit den gleichzeitig um ca. 2°C zunehmenden Temperaturen zu einem drastischen Rückgang des Bodenwassergehalts mit erheblichen Folgen für die Grundwasserbildung sowie die Land- und Forstwirtschaft. Gleichzeitig werden die meteorologischen Extremereignisse wie z.B. Dürren, Hagel und Stürme an Zahl und Intensität zunehmen und hohe sozio-ökonomische Folgekosten verursachen.
Unter diesen Bedingungen ist die Ergreifung von Maßnahmen zum Klimaschutz zwingend erforderlich. Diese Maßnahmen dürfen sich nicht nur auf den klassischen Klimaschutz, d.h. auf die Definition von Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen, beschränken, sondern müssen in zunehmenden Umfang auch Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen der erwarteten Klimaänderung umfassen. Diese Maßnahmen müssen möglichst umgehend und umfassend erfolgen. Dazu ist ein ganzheitlicher, integrierter Ansatz notwendig, der weit über die bisher diskutierten Schritte hinausgeht und auch die Entwicklungsländer einschließen muss. Wir verfügen bereits heute über die notwendigen technischen Voraussetzungen für einen wirksamen Klimaschutz, bringen aber nicht den Mut und den Willen auf, diese Möglichkeiten in der Verantwortung gegenüber den nachkommenden Generationen einzusetzen.