Physikalisches Kolloquium

June 29, 2004 at 5 p.m. c.t. in Hörsaal des Instituts für Kernphysik, Becherweg 45

Prof. Dr. Friederike Schmid
Institut für Physik
friederike.schmid@uni-mainz.de

Prof. Dr. Concettina Sfienti
Institut für Kernphysik
sfienti@uni-mainz.de

Die erste Phase der Planetenenstehung - im Labor
Prof. Dr. Jürgen Blum (Technische Universität Braunschweig)


Nach heutigem Kenntnisstand wissen wir, dass Sterne und Planeten gleichzeitig und aus dem gleichen Materiereservoir entstehen. Dabei muss die Bildung der terrestrischen Planeten mindestens über einen zweistufigen Prozess erfolgen, bei dem anfangs die mikroskopisch kleinen Staubpartikel durch inelastische Stöße und Oberflächenkräfte sich zu etwa kilometergroßen, so genannten Planetesimalen entwickeln, die danach auf Grund von gegenseitiger gravitativer Anziehung zu Planetengrößen anwachsen. Die erste Wachstumsphase, auch Agglomerationsphase genannt, ist noch mehr oder minder unverstanden. Um dies zu ändern, haben wir in den letzten Jahren umfangreiche Laborexperimente zur Haftung und Agglomeration von Staub durchgeführt, die unser Wissen über die beim Staubwachstum entstehenden Strukturen, Größenverteilungen und Wachstumsgeschwindigkeiten deutlich vermehrt haben. Es zeigte sich, dass Staubpartikel im jungen Sonnensystem, die in langsamen Stößen durch Oberflächenkräfte aneinander haften, praktisch immer so genannte fraktale, d.h. sehr offene, selbstähnliche Strukturen bilden. Erst wenn die Stoßgeschwindigkeiten in die Nähe der Haftgrenze (von etwa 1 m/s) kommen, werden die sich bildenden Staubagglomerate kompakter und verlieren ihre fraktale Form. Oberhalb einer Geschwindigkeit von einigen m/s dominiert die Fragmentation, d.h. das Zerbrechen der Agglomerate, das Stoßgeschehen. Im solaren Nebel ist dies für etwa dezimetergroße Staubagglomerate der Fall. Dies bedeutet aber nicht, dass ein weiteres Wachstum und damit die Bildung von kilometergroßen Körpern unmöglich ist. Die in den Stößen gebildeten Fragmente können nämlich auf Grund von aerodynamischen oder elektrostatischen Prozessen auf den größeren der Stoßpartner zurückgetrieben werden. Die dabei entstehenden Agglomerate sind nicht-fraktal und haben Porositäten zwischen 60% und 85%.