Physikalisches Kolloquium

Nov. 22, 2011 at 5 p.m. c.t. in Hörsaal des Instituts für Kernphysik, Becherweg 45

Prof. Dr. Friederike Schmid
Institut für Physik
friederike.schmid@uni-mainz.de

Prof. Dr. Concettina Sfienti
Institut für Kernphysik
sfienti@uni-mainz.de

Physikalische Prozesse im Grenzbereich zwischen Atmosphäre und Weltraum
Prof. Franz-Josef Lübken (Leibniz Institute of Atmospheric Physics, Kühlungsborn)


Im Vergleich zu erdnahen Schichten ändert sich die Bedeutung einiger physikalischer Prozesse in der Mesosphäre (50-100km) grundlegend, in erster Linie wegen der um Größenordnungen niedrigeren Dichte. Dazu gehört etwa die Abweichung vom thermodynamischen Gleichgewicht oder die Entmischung von Spurengasen durch molekulare Diffusion.

In der Mesosphäre erreichen Schwerewellen so grosse Amplituden, dass sie instabil werden und Turbulenz erzeugen. Dies führt letzten Endes zu einer Zirkulationsumkehr, die eine starke adiabatische Abkühlung (Aufwärmung) in der sommerlichen (winterlichen) Mesosphäre zur Folge hat. Damit wird die Mesopause im Sommer (90 km) in polaren Breiten mit ca. -150 K zum kältesten Ort der Atmosphäre überhaupt, und dies trotz permanenter Sonneneinstrahlung.

Bei diesen extrem niedrigen Temperaturen bilden sich Eiswolken, die als "leuchtende Nachtwolken" (NLC, noctilucent clouds) seit ca. 100 Jahren bekannt sind und die zu sehr starken Radarechos (PMSE, polar mesosphere summer echos) führen. Seit einigen Jahren lassen sich NLC mit Lidars (light induced detecting and ranging) und PMSE mit Radars im Detail vermessen und damit die physikalischen Prozessse, die zur Bildung dieser Phänomene führen, im Detail erforschen.

Im Vortrag werden aktuelle Lidarmessungen von Temperaturen und NLC vorgestellt und diskutiert. In der Mesosphäre beobachtet man drastische Temperaturtrends. Aus den am IAP seit etwa 50 Jahren durchgeführten Messungen von Radiowellen ergibt sich eine Temperaturabnahme in der Mesosphäre von bis zu 20 Grad, also um den Faktor 40 größer als in der Troposphäre.

In den letzten Monaten ist es uns zum ersten Mal gelungen, diese starken Abkühlungen mit Modellrechnungen zu beschreiben. Da Eisteilchen sehr empfindlich auf Temperaturen reagieren, werden NLC und PMSE als mögliche Frühwarnsysteme für Klimaänderungen diskutiert.

Im Vortrag werden die wichtigsten Prozesse, die zu NLC und PMSE führen und die zur thermischen Struktur der oberen Atmosphäre beitragen, vorgestellt. Es werden neue Modellrechnungen zu Trends präsentiert und der Einfluss der Stratosphäre auf die Mesosphäre diskutiert.